Ein Wichel ist ein scheues Gebirgswesen, man trifft nur selten auf einen Vertreter dieser Spezies auf Streifzügen durch die Berge. Mancherorts stehen sie in einer Gruppe, wie zwischen dem Val Guiv und dem Etzli: hier einer räckelt sich hier in der Sonne, einer steht lieber im Schatten und der dritte ist ganz rot vor… ja, vielleicht vor Neid, dass die anderen beiden schon so tolle Namen haben. Bei dieser Geschichte geht es aber um einen anderen Wichel: den Wichelplanggstock am Sustenpass und seinen Kollegen, den Trotzigplanggstock.
Vielleicht sollte man sich dem Wichelplanggstock aber lieber von der Bedeutung seines Namens her nähern, anstatt auf den Klang zu achten: Laut „ortnamen.ch“ steht Wichel für „Winkel“ oder „Ein Stück Land im Winkel“ oder „Alp, zu der hinauf man sozusagen um die Ecke gehen muss.“ Eine Plangg ist eine „steil abfallende Grashalde“ oder „ein Stück Weideland“. Und ein Stock ist „eine grössere, stumpfkegelige Geländeerhebung“. Das suggeriert nun nichts spektakuläres und schon gar nicht die steilen und schaften Zacken, die man am Wichelplanngstock antreffen kann. Plangg könnte aber auch vom lateinischen „planca“ abgeleitet sein, was Brett bedeutet. Beim Wichelplanggstock könnte es sich also um ein gewinkeltes Brett handeln… jedenfalls trifft diese Interpretation die Gestalt und den Charakter des Berges besser, als eine grasige Geländeerhebung, auf der Vieh weidet…
Wie auch immer… wir starteten um 4:20 Uhr vom Parkplatz beim Stustenbrüggli 1909m, passierten um 5 Uhr die Sustlihütte 2257m und erreichten um 6:20 Uhr über ein noch hart gefrorenes Schneefeld die Scharte südlich des Trotzigplanggstock. Zu unserer Überraschung waren wir an diesem Sonntag zunächt ganz alleine. Nachdem wir in der zweiten Seillänge endlich die warme Sonne erreicht hatten, genossen wir die abwechslungsreiche, interessante und teils sehr spannende Kletterei in herrlich festem und griffigen Fels zum Gipfel des Trotzigplanggstocks 2954m (3h15min).
Beim Abseilen vom Gipfel in die Scharte nördlich des Gipfels überholte uns eine Sprinter-Seilschaft. Die Kletterei zu unserem zweiten Gipfel war ebenso spannend und abwechslungsreich und der Fels ebenso solide. Nach der wunderbaren letzten Seillänge genossen wir den Ausblick von der Gipfelnadel des Wichelplanggstocks 2974m (2h45min). Mit unserem 50m-Doppelseil, das uns bei der Kletterei eher etwas genervt hatte, konnten wir die Abseilerei im Abstieg nun etwas vereinfachen. Zum Glück war der Schnee der Schneefelder noch gut zu begehen und bald hatten wir das schwierige alpine Gelände hinter uns gebracht. Fröhlich trabten wir zur Sustenpassstrasse hinab und diskutieren dabei die nächsten Tourenoptionen im Gebiet. Eine herrliche Tour an einem wunderbaren Tag!
12. Juli 2020 – Alpinwanderung T4, Klettern 4c+; Zustieg 2h, Kletterei gesamt 6h, Abstieg zum Wanderweg ca. 1h20min. Total ca. 11h. Tour mit Conny.